In diesem aufschlussreichen Interview gewährt Janina Kugel, Seatti Aufsichtsrätin, ex-CHRO & Mitglied des Vorstands der Siemens AG und führende Expertin im Bereich der Organisationsentwicklung, tiefe Einblicke in die Dynamik und Herausforderungen des hybriden Arbeitsmodells. Sie beleuchtet die vielfältigen Aspekte flexibler Arbeitsstrukturen und deren Auswirkungen auf multinationale Organisationen. Dabei erörtert Frau Kugel sowohl die Perspektiven der Führungskräfte als auch die der Mitarbeitenden und unterstreicht die Bedeutung von Kommunikation und Teamdynamik in einer sich ständig wandelnden Arbeitswelt.
Welche Bedeutung hat flexibles Arbeiten?
Janina Kugel: Hybrides Arbeiten bedeutet vor allem eines: Die Flexibilität zwischen verschiedenen Arbeitsformen und Standorten zu wechseln. Dazu zählt die teilweise physische Präsenz im Büro und die Möglichkeit, von anderen Orten wie beispielsweise im Homeoffice zu arbeiten.
Diese Kombination lässt oft Raum für individuelle Gestaltung. Viele Unternehmen etablieren allerdings feste Regelungen, wie viele Tage Mitarbeitende im Büro verbringen sollten. Diese sollen als Orientierungshilfe für Mitarbeitende und Führungskräfte dienen. Manchmal sind diese rechtlichen Rahmenwerke auch notwendig, aber ich bin der Meinung, dass diese Abmachungen direkt im Team erfolgen sollten. Das Team und die Führungskräfte wissen am besten, wie oft man zusammenkommen sollte und wann kollaboratives Arbeiten für die Förderung von Innovation oder der Lösung von Problemen nötig ist.
Die Herausforderung, eine gute Balance zu finden und das Team regelmäßig zusammenzubringen, liegt oft bei den Führungskräften. Vor allem bei neuen Mitarbeitenden ist der soziale Austausch unglaublich wichtig, da sie die sozialen Netzwerke und die Unternehmensdynamik noch nicht greifen können.
Als Führungskraft geht es darum, sich zu trauen, Ansagen zu machen und Tage für die Kollaboration und den sozialen Austausch aktiv einzufordern. Und dabei die Transparenz hochzuhalten und zu erklären, warum sozialer Austausch oder die Zusammenarbeit vor Ort notwendig ist. Und dasselbe sollten auch Mitarbeitende tun können. Einfach zu sagen „Ich brauche jetzt Interaktion mit euch, um das Beste für das Team herauszuholen.”.
Und so bietet hybrides Arbeiten diese Flexibilität. Und noch ein Punkt: Wer hybrid arbeiten kann, wird unabhängig von Ort und fast unabhängig von Zeit mit Talenten überall arbeiten können.
Wer hybrid arbeiten kann, der wird irgendwann mal unabhängig davon sein, wo Menschen und Talente sitzen und dann eigentlich mit allen arbeiten können - unabhängig von Ort und fast unabhängig von Zeit.
Welchen Einfluss hat Hybrid Work, besonders auf multinationale Organisationen?
Janina Kugel: Wie gerade schon erwähnt, bietet Hybrid Work, wenn es richtig umgesetzt wird, die Möglichkeit, einen globalen Talentpool aufzubauen. Die Voraussetzung dafür ist allerdings, dass man Menschen aktiv einbezieht, unabhängig davon, wie häufig man physisch mit ihnen zusammentrifft.
Das bedeutet aber auch, dass Unternehmen sich verstärkt bemühen müssen, soziale Interaktionen zwischen Mitarbeitenden zu fördern. Und hier hat jeder Mitarbeitende unterschiedliche Bedürfnisse. Manche möchten längere Zeit keine Kolleg:innen sehen, andere suche mehr Kontakt zum Team. Und das hängt auch maßgeblich davon ab, wie stark man im Unternehmen integriert ist, wie erfahren man ist, welche Expertise man hat oder noch im Lernprozess steckt.
Kulturell gesehen haben diejenigen Organisationen, die hybrides Arbeiten beherrschen und Raum für Miteinander, Lernen und Unternehmensleistung schaffen, einen enormen Wettbewerbsvorteil.
Es ist schwer, bedeutet für viele ein Umdenken, aber es ist lohnenswert. Unterstützung durch Software und andere Hilfsmittel kann dabei helfen, diese neuen Arbeitsweisen zu leben und sie zum Vorteil zu machen.
Hybride Unternehmen können einen riesengroßen Wettbewerbsvorteil haben vor allen anderen. Insofern ist es für mich wirklich ein ganz großer Appell. Ist das schwer? Ja. Bedeutet es für fast alle von uns im Berufsleben, dass wir etwas Neues lernen müssen? Ja. Lohnt es sich, diese Dinge auszuprobieren und anzugehen? Auf alle Fälle.
Oft gehen die Erwartungen von Managern & Mitarbeitenden auseinander. Wie siehst du diese Dynamik?
Janina Kugel: Nicht nur bei hybridem Arbeiten gehen die Vorstellungen auseinander, sondern bei vielen Anliegen ist das der Fall. Und das liegt in der Rolle des Managers an sich. Sie tragen die Verantwortung für das gesamte Team, die Leistung, die Zusammenarbeit sowie für die Teamkultur. Mitarbeitende müssen verstehen, dass sie einerseits Individuen mit eigener Erwartung und Erfahrung sind, aber andererseits auch Teil eines Teams und somit Teil einer größeren Gruppe sind.
Um diese unterschiedlichen Perspektiven zusammenbringen, sind Gespräche notwendig. Es ist wichtig, die unterschiedlichen Erwartungshaltungen zu verstehen und einen Kompromiss zu finden. Das bedeutet natürlich auch immer, dass man nicht mit seinen eigenen Perspektiven gewinnt, sondern dass man auch einige seiner Erwartungen anpassen muss.
Für Manager:innen ist es sehr wichtig, dass obwohl sie höher in der Hierarchie stehen, nicht immer davon ausgehen können zu gewinnen. Wenn das der Fall ist, bin ich davon überzeugt, dass die Zusammenarbeit immer ein Erfolgsfaktor ist und so hybrides Arbeiten zum Erfolg wird.
Was trägt wesentlich zur Mitarbeiterbindung bei?
Janina Kugel: Die Anziehung und Bindung qualifizierter Mitarbeitenden ist ein wichtiger Faktor für viele Manager:innen. Aber wir müssen uns klar darüber sein, was wir genau darunter verstehen.
Ein wesentlicher Teil der Mitarbeiterbindung ist das Arbeitsumfeld. Es geht darum, eine Arbeit zu machen, die man gerne tut und die man zumindest größtenteils mag. Aber besonders wichtig ist auch die menschliche Interaktion im Team, mit dem man zusammenarbeitet. Das schafft ein Zugehörigkeitsgefühl.
Studien haben gezeigt, dass Menschen, die Kolleg:innen als Freunde bezeichnen, eine positive Arbeitsatmosphäre schaffen, in der andere gerne arbeiten. Daher ist es wichtig, diese Momente zu schaffen, sei es virtuell oder vor Ort im Büro. Besonders beim Onboarding ist das wichtig. Und das haben wir bereits in der Vergangenheit gesehen.
Es gibt Mitarbeitende, die seit sechs Monaten oder länger für uns arbeiten und noch nie persönlich jemanden aus dem Team getroffen haben. Es ist wichtig, über alle verschiedenen Erwartungen im Team nachzudenken und regelmäßige Interaktionen zu schaffen.
Ich glaube, es erfordert mehr Aufwand, das im virtuellen Raum zu tun, aber ich habe an vielen virtuellen Sitzungen teilgenommen, in denen ein Zugehörigkeitsgefühl, Interaktion und Spaß geschaffen wurden, die uns verbunden haben. Letztendlich hängt es davon ab, wer die Menschen im Team sind, was die Menschen als Wunsch und Anforderung haben. Diese Dinge zu diskutieren und für jeden transparent zu machen, ist entscheidend.
Danke für das Interview!